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Volle Fahrt voraus? Das Digitalministerium nimmt die Arbeit auf

Ein neues Kapitel in der Geschichte der deutschen Digitalisierung hat begonnen: Mit der Vereidigung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz und der Einsetzung seines Kabinetts ist auch das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) offiziell gestartet. Der parteilose Minister Karsten Wildberger, zuvor Topmanager bei MediaMarktSaturn, tritt an, um einem der großen Sorgenkinder deutscher Politik endlich Beine zu machen. Doch wie viel Tempo ist wirklich drin?

Sebastian Büttner

Zwischen Aufbruch und Realität: Ein Ministerium ohne Haus, aber mit Ambitionen

Das Signal war klar: Mit der Gründung eines eigenen Digitalministeriums will die neue Bundesregierung ein Thema priorisieren, das in der Vergangenheit oft im Kompetenzgerangel versandete. Karsten Wildberger, der neue Digitalminister, spricht von einem "Ministerium der Zuständigkeitsbündelung" und betont den Anspruch, "schnell ins Handeln zu kommen". Der Optimismus ist groß, ebenso wie die Vorschusslorbeeren. Selbst aus der Opposition kommen lobende Worte für die klare Zuständigkeitsregelung und die Ausstattung des Hauses mit strategischen Hebeln wie dem Zustimmungsvorbehalt für IT-Ausgaben oder der Aufsicht über das ITZ Bund.

 

Und doch beginnt die Arbeit unter provisorischen Bedingungen. Das neue Ministerium residiert vorerst in den Räumen des Bundesinnenministeriums in Charlottenburg, wo bisher die Digitalabteilungen des BMI untergebracht waren. Die Bauabnahme für das eigentliche Gebäude steht noch aus, die Raumfrage ist ungelöst. Symbolisch wirkt das wie ein Spiegelbild der deutschen Digitalpolitik: gute Ansätze, aber oft zu wenig Infrastruktur, um sie schnell umzusetzen.

Was kommt, was fehlt: Die Agenda ist fragmentiert

Wildbergers Rede zur Amtsübernahme versprühte Optimismus, aber keine konkreten Inhalte. Ein "belastbarer Plan" solle bald folgen, heißt es. Vieles bleibt vorerst offen: Wie genau die Staatsmodernisierung angegangen werden soll, welche Rolle datenpolitische Themen spielen, oder wie die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts organisiert wird – all das ist bislang unklar.

 

Und dennoch: Die Zuordnung wichtiger Aufgaben wie die der digitalen Brieftasche (Eudi-Wallet) oder der Deutschland-ID zum neuen Haus sendet ein deutliches Signal. Das Ministerium soll mehr sein als ein symbolischer Akt. Es soll liefern. Philipp Amthor, parlamentarischer Staatssekretär im BMDS, bringt es auf den Punkt: "Es geht um Abschaffungen von Bürokratielasten, auf die Deutschland lange wartet."

Die Herausforderung: Ein Ministerium zwischen Erwartung und Umsetzung

Der Anspruch ist hoch: Das BMDS soll die digitale Transformation nicht nur begleiten, sondern aktiv steuern. Wildberger nennt sein Ressort ein "Ministerium für Umsetzung". Damit das gelingt, braucht es mehr als nur ein ambitioniertes Leitbild. Es braucht klare Prioritäten, ressortübergreifende Zusammenarbeit und die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden. Dass Wildberger aus der Wirtschaft kommt, könnte hier zum Vorteil werden: weniger politische Rhetorik, mehr Fokus auf Prozesse, Ergebnisse und Nutzerorientierung.

 

Doch die eigentliche Herausforderung liegt tiefer: Die Digitalisierung in Deutschland ist kein Akutproblem der Regierungsspitze, sondern ein Strukturproblem der Breite. Der eigentliche Schalter, so Wildberger, sei "der im Kopf". Ob es ihm gelingt, diesen mentalen Wandel auch in der Verwaltung auszulösen, wird darüber entscheiden, ob das Digitalministerium zum Taktgeber oder zum nächsten Mahnmal gescheiterter Ambitionen wird.

 



Über den Autor:

Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.